Evernote kann Deine Handschrift besser lesen als Du selbst
Ob nun Microsoft Surface oder iPad Pro – vielen erscheint der Einsatz eines Stifts verlockend. Weniger verlockend sind die Kosten. Ein „Pencil“ für 99 Euro?! Ein Surface Pro für 1.400 Euro?! Warum nicht einfach nur ein paar Cent ausgeben und zu Papier und Bleistift greifen? Scannen, speichern, fertig.
‚Halt!‘ wird nun der Surf-/Pad-/Pro-User rufen. ‚Wenn ich mein Tablet nutze, dann wird die Schrift auch erkannt! Ich kann dann meine digitalen Notizen durchsuchen! Ha!‘ Ja, gaaanz toll, denkt der Evernote-Anwender und lächelt still vor sich hin. Denn Evernote kann auch Handschrift auf Papier erkennen – mit einer derart guten Erkennungsrate, dass wahrscheinlich kein anderes Programm mithalten kann [1].
Vorab zwei Einschränkungen:
1. Evernote kann keine Wunder vollbringen – wenn man sehr „unschön“ schreibt, phantasievolle Kringel mit dünnen Stichen versieht und am nächsten Tag selbst seine Handschrift nicht mehr entziffern kann, scheitert auch Evernote.
2. Da Handschriften außerordentlich komplex sind, wird auf einer Seite nicht unbedingt jedes Wort erkannt werden – bei mir liegt die Erkennungsrate bei ca. 80 %. Das genügt aber im Alltag, um den Scan in Evernote zu finden – den vollständigen Text zu lesen, das schaffe ich dann auch so.
Nun zum eigentlichen Beispiel.
Das Original
Man sieht: Ich habe keine besonders „schöne“ Handschrift. [2] Der Text auf der Rückseite scheint durch, das Papier im (Leuchtturm-)Notizbuch ist während der Aufnahme mit dem Smartphone zur Mitte „gebogen“, die Tinte eines Füllers erzeugt keine präzisen Kanten, die Karolinien durchkreuzen die Buchstaben. Bei „Testament“ könnte das „T“ auch ein „F“ sein, „e“ könnte auch „l“ sein usw.
Das Ergebnis
Die in Evernote eingebaute Dokumentenkamera (Android, iOS) bzw. die Evernote-App Scannable (iOS) bereinigen nun in der üblichen Weise die Vorlage: Verzerrungen werden geglättet, die störenden Karolinien verschwinden, die durchscheinende Rückseite ist nicht mehr zu sehen, der Kontrast wird erhöht usw. – man hat also einen sauberen Scan in der Evernote-Notiz.
Da die Erkennung von Handschrift auf den Evernote-Servern geschieht, muss man einen oder zwei Syncs vornehmen, bis der erkannte Text im Suchindex auftaucht. Früher dauerte die Erkennung einige Minuten, seit Evernote im letzten Jahr seine Server-Infrastruktur kostspielig erneuert hat, erhält man die Ergebnisse meist nach einigen Sekunden.
In diesem Beispiel wird alles erkannt und gefunden – allerdings nicht „Schreibtischlampe“ sondern nur „Schreibtisch“ und „lampe“. Wie schon gesagt: Nicht immer wird alles erkannt. Aber ein Versuch mit der eigenen Schrift ist es wert – vielleicht werden Sie überrascht sein, dass Evernote Worte entziffert, bei denen Sie selbst scheitern … 🙂
[1] Es gibt durchaus Programme, die ebenfalls das Erkennen von Handschrift auf Papier probieren – sogar das Freewareprodukt Irfanview hat ein entsprechendes Plugin. Aber die Ergebnisse sind im Vergleich mehr als dürftig. Es mag auch sein, dass es spezielle Software gibt, die für Firmen entwickelt wurde und ähnliche Trefferquoten hat – die sind mir aber nicht bekannt.
[2] Ich entschuldige mich zwar immer damit, dass ich seit meiner Studentenzeit Steno schreibe, aber auch mit mehr Übung wäre sie wahrscheinlich nicht besser …
Sehr interessanter Beitrag. Meine ersten scan/OCR Versuche mit druckschrift sind 1/4 Jahrhundert her und waren sehr viel duerftiger ! So habe ich mal wieder meinen Wissensstand upgedatet.